Als ich Andrea noch nicht gut kannte, fragte ich ihn einmal, was er gerade lese. Er schaute mich an, als wäre ich ein eben vom Mond geplumpster Esel und antwortete: „Immer dasselbe“. Ariosto und Dante. Baustelle lesen etwas mehr. Aber die Spur ist gelegt.
Für Elisa, hören wir Bianconi singen, schon mal gehört? Per adorare te: „Um dich zu bewundern, zu verehren“, geht ein Vers. Wie? Nicht ums Küssen, nicht ums Lieben, ums Verehren dreht es sich hier.
Unsereiner würde vielleicht bei den Füßen anfangen oder den Öhrchen oder. Bianconi vergleicht sie, Elisa, mit Brigitte Bardot, mit Marilyn, mit Jackie Kennedy, mit der Venus von Milo. Er singt da weniger von einer bestimmten Schönheit. Er singt die Idee. „Hätte ich die
klassische Schönheit/ die in dir lebt“. Im Konjunktiv. So unkörperlich, für Elisa. Das Dekolleté! Die Hüften! Gemischtes hier, denn es baut auf Reinem auf.
Se fossi fuoco: „Wenn ich Feuer wäre“, singen wir nach Cecco Angiolieri (1260-1310), „würde ich die Welt abfackeln“. Denselben hypothetischen Aufbau wie Ceccos Gedicht hat das Lied hier: „Wäre ich du“, „wenn ich dir gliche“, „hätte ich die klassische Schönheit / die
in dir lebt“, „leuchtete ich“. Aber es hat nichts Rebellisches in sich. Noch weiter zurück!
Per adorare te: Frauenlob, Frauenpreis. Dreizehntes, vierzehntes Jahrhundert. Da sang wer im Norden, andre dichteten im Süden. Mittendrin Friedrich II. (1194-1250), filius apulei aus schwäbischer Familie, der lieber nach Palermo ging, Multikultistadt.
In Deutschland ritten Minnesänger von Hof zu Hof. Verarmte Edelleute meist, die ihre Gedichte sangen und dazu auf der Laute spielten, fürs Brot. Dem Walther von der Vogelweide (1170-1230) schenkte Friedrich 1220 ein Stück Land und der sang, lesen wir: Ich hân mîn lêhen, al die werlt, ich hân mîn lêhen./ nû enfürhte ich niht den hornunc an die zêhen, zirka: „ich hab mein Haus, juchhe, / jetzt frieren mir im Winter nicht mehr die Zehen ein“. Immerhin. Grames Leben, allein unterwegs, dürftige Bildung, keine Bücher zur Hand. So etwa lässt sich die Existenz der fahrenden Sänger im Norden zusammenfassen. Das Frauenlob kam da magerer daher: Daz ist ein wîp, der ich enkan/ nâch ir vil grôzem werde niht gesprechen wol, also etwa: „mir fehlen die Worte“, so Reinmar (-1210). Nach längerem Lob
brachte der Sänger dann auch mal Unmut ans Licht: Sî abe ich dir gar unmaere, daz sprich endelîche! – sô lâz ich den strît/ unde wirde ein ledic man. „Wenn du mich nicht magst, sags nur frank raus und ich zieh weiter“. Don’t think twice.
Im Süden aber hielt Friedrich Hof. Am Grab des Kaisers, der nicht in Deutschland leben wollte, kullern heute noch Deutsche aus dem Reisebus und legen Blumen ab. Sind sie dankbar? Friedrich dichtete selbst und sammelte italienische Dichter um sich, die aus den Gedichten der französischen etwas Eigenes machten. Jacopo/ Giacomo da Lentini (1210-1260) erfand hier das Sonett, heißts. Notar von Beruf, bei Hofe tätig und Burgherr, ähnlich wie die anderen Dichter der sizilianischen Schule, die nur deshalb so heißt, weil die alle in Palermo arbeiteten. Studierte Leute, denen es an nichts fehlte. Die italienischen Dichter der Zeit kamen aus dem universitären Bürgertum. Da liest man sich, bis nach Bologna und in Firenze, wo die Flamme aufgeht. Der Dolcestilnovo entsteht: „Der süße neue Stil“. Liebe das Thema, aber ... Guido Guinizelli (1235-1276) schreibt da, Dante wird ihn „Vater“ nennen: Io voglio del ver la mia donna laudare: "Ich will wahrhaftig meine Frau loben/ ihr vergleichen die Rose und die Lilie/ Mehr als der Morgenstern leuchtet sie und scheint/ und was da oben schön ist, ähnle ich ihr an“. Was er dann vergleicht, ist „das grüne Land (river') , die Luft (l'âre) ,/ Alle Farben der Blumen, gelb (giano) und rot (vermiglio)/ Gold und Himmelblau und reiche Juwelen als Gaben/ Amore selbst verfeinert sich für sie“. Die Wörter river', l'âre, giano sind nicht italienisch, sondern provenzalisch, lateinisch, französisch: Gedichte für Gebildete.
per adorare te
Dante Alighieri baut von hier sein Lob der Beatrice. Er kommt ohne Manierismen aus.
So freundlich und so frei entbietet sie an allen Tagen
die eine Frau, den andern ihren Gruß
dass jede Zunge, zitternd, schweigen muss
und Augen nie sie anzublicken wagen
So geht sie hin und hört sich allseits preisen
Voll guten Willens und dabei bescheiden
Als wäre sie direkt gesandt hernieden
Zur Erde, uns die Richtung weisen
So angenehm für eines jeden Blick
Dass in die Augen dringet Herzens Glück
Was nur begreift, wem es geschehen
Es scheint von ihren Lippen auszuwehen
Ein sanfter Geist, der Liebe voll
Dass Seele flüstert: dass ich seufzen soll
Die Frau, kurz, verbindet uns und unser Erdenleben mit dem Himmel. Was nun als Bild bei Baustelle ironisch dunkel blüht, zwischen Marlboro und Jaguar:
Eyeliner
Per Gesù Cristo
Wenn ich du wäre
Wäre ich wunderbar
Eine Orchidee
Der Atlantische Ozean
Brigitte Bardot
Haare schwarzer Gedanken
Jetzt wohne ich ja im Norden
Liebe dich ein bisschen
Zieh an der Marlboro
Du lächelst mich an
Wenn ich dir gliche
Wäre ich die Venus von Milo
Wenn ich die klassische Schönheit hätte
Die in dir lebt
Hätt ich, für einen Tag oder zwei
Die Ewigkeit
Deines unruhigen Bildes
Dann wär ich im Wind
Unheimlicher Boulevards
Eine Seerose
Ein schwarzer Komet
Ein Jaguar
Ein Star
Um dich zu verehren
Deine Freiheit
Wenige Zeilen
Doch nur für dich
Für deine Männer
Für den Cabernet Sauvignon
Also für deine Lippen
Genau deshalb
Glänzte ich
So sehr wie deine Keramik
Wenn ich zur Schau stellte
Dies Decolleté
Wäre es im Namen des Herrn
Deine Reinheit ist im Sein
Unbewusstes Art Dèco
Du bist auf dekadente Weise nackt
Deine Hüften
Hätt ich die
Für deine Lider
Für die kleinen dunklen Adern
Für ihre/ Eure Heiligkeit
Eyeliner
Für Jesus Christus
Und für den Cabernet Sauvignon
Also für deine Lippen
Genau deshalb
Für Jackie Kennedy
Und für Marylin
Für egal wen
Doch nur für dich
Elisa
(1) Paolo Jachia, Daniele Botta: I Baustelle. Mistici dell’occidente. Milano (L’Ancora) 2020, S. 32-34.
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