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Frauenlob (Baustelle)

Als ich Andrea noch nicht gut kannte, fragte ich ihn einmal, was er gerade lese. Er schaute mich an, als wäre ich ein eben vom Mond geplumpster Esel und antwortete: „Immer dasselbe“. Ariosto und Dante. Baustelle lesen etwas mehr. Aber die Spur ist gelegt.

Für Elisa, hören wir Bianconi singen, schon mal gehört? Per adorare te: „Um dich zu bewundern, zu verehren“, geht ein Vers. Wie? Nicht ums Küssen, nicht ums Lieben, ums Verehren dreht es sich hier.


Unsereiner würde vielleicht bei den Füßen anfangen oder den Öhrchen oder. Bianconi vergleicht sie, Elisa, mit Brigitte Bardot, mit Marilyn, mit Jackie Kennedy, mit der Venus von Milo. Er singt da weniger von einer bestimmten Schönheit. Er singt die Idee. „Hätte ich die

klassische Schönheit/ die in dir lebt“. Im Konjunktiv. So unkörperlich, für Elisa. Das Dekolleté! Die Hüften! Gemischtes hier, denn es baut auf Reinem auf. 

"Wenn ich du wäre", singt Bianconi, wäre ich magnifico, herrlich, großartig oder wundervoll. Genauer, sagts Wörterbuch „bewundernswert aufgrund von Schönheit“, ja, aber auch von „Größe” und „Erhabenheit”, Il Magnifico Rettore ist denn auch bis heute der Titel für Universitätsrektorinnen, welche übergewichtig im Talar herumlaufen. Magnifico ist sonst eher ein Gebäude oder, für den, den es trifft, so ein großes Essen wie bei Hochzeiten, wo einer sechs Stunden stillsitzen muss. Wäre ich du, Elisa, wäre ich so was. Großartig, erhaben. Das weist weit zurück.


Se fossi fuoco: „Wenn ich Feuer wäre“, singen wir nach Cecco Angiolieri (1260-1310), „würde ich die Welt abfackeln“. Denselben hypothetischen Aufbau wie Ceccos Gedicht hat das Lied hier: „Wäre ich du“, „wenn ich dir gliche“, „hätte ich die klassische Schönheit / die

in dir lebt“, „leuchtete ich“. Aber es hat nichts Rebellisches in sich. Noch weiter zurück!


Per adorare te: Frauenlob, Frauenpreis. Dreizehntes, vierzehntes Jahrhundert. Da sang wer im Norden, andre dichteten im Süden. Mittendrin Friedrich II. (1194-1250), filius apulei aus schwäbischer Familie, der lieber nach Palermo ging, Multikultistadt.


In Deutschland ritten Minnesänger von Hof zu Hof. Verarmte Edelleute meist, die ihre Gedichte sangen und dazu auf der Laute spielten, fürs Brot. Dem Walther von der Vogelweide (1170-1230) schenkte Friedrich 1220 ein Stück Land und der sang, lesen wir: Ich hân mîn lêhen, al die werlt, ich hân mîn lêhen./ nû enfürhte ich niht den hornunc an die zêhen, zirka: „ich hab mein Haus, juchhe, / jetzt frieren mir im Winter nicht mehr die Zehen ein“. Immerhin. Grames Leben, allein unterwegs, dürftige Bildung, keine Bücher zur Hand. So etwa lässt sich die Existenz der fahrenden Sänger im Norden zusammenfassen. Das Frauenlob kam da magerer daher: Daz ist ein wîp, der ich enkan/ nâch ir vil grôzem werde niht gesprechen wol, also etwa: „mir fehlen die Worte“, so Reinmar (-1210). Nach längerem Lob

brachte der Sänger dann auch mal Unmut ans Licht: Sî abe ich dir gar unmaere, daz sprich endelîche! – sô lâz ich den strît/ unde wirde ein ledic man. „Wenn du mich nicht magst, sags nur frank raus und ich zieh weiter“. Don’t think twice.


Im Süden aber hielt Friedrich Hof. Am Grab des Kaisers, der nicht in Deutschland leben wollte, kullern heute noch Deutsche aus dem Reisebus und legen Blumen ab. Sind sie dankbar? Friedrich dichtete selbst und sammelte italienische Dichter um sich, die aus den Gedichten der französischen etwas Eigenes machten. Jacopo/ Giacomo da Lentini (1210-1260) erfand hier das Sonett, heißts. Notar von Beruf, bei Hofe tätig und Burgherr, ähnlich wie die anderen Dichter der sizilianischen Schule, die nur deshalb so heißt, weil die alle in Palermo arbeiteten. Studierte Leute, denen es an nichts fehlte. Die italienischen Dichter der Zeit kamen aus dem universitären Bürgertum. Da liest man sich, bis nach Bologna und in Firenze, wo die Flamme aufgeht. Der Dolcestilnovo entsteht: „Der süße neue Stil“. Liebe das Thema, aber ...  Guido Guinizelli (1235-1276) schreibt da, Dante wird ihn „Vater“ nennen: Io voglio del ver la mia donna laudare: "Ich will wahrhaftig meine Frau loben/ ihr vergleichen die Rose und die Lilie/ Mehr als der Morgenstern leuchtet sie und scheint/ und was da oben schön ist, ähnle ich ihr an“. Was er dann vergleicht, ist „das grüne Land (river') , die Luft (l'âre) ,/ Alle Farben der Blumen, gelb (giano) und rot (vermiglio)/ Gold und Himmelblau und reiche Juwelen als Gaben/ Amore selbst verfeinert sich für sie“. Die Wörter river', l'âre, giano sind nicht italienisch, sondern provenzalisch, lateinisch, französisch: Gedichte für Gebildete. 


per adorare te


Dante Alighieri baut von hier sein Lob der Beatrice. Er kommt ohne Manierismen aus. 

Wage es, vorläufig, mal so:


So freundlich und so frei entbietet sie an allen Tagen

die eine Frau, den andern ihren Gruß

dass jede Zunge, zitternd, schweigen muss

und Augen nie sie anzublicken wagen


So geht sie hin und hört sich allseits preisen

Voll guten Willens und dabei bescheiden

Als wäre sie direkt gesandt hernieden

Zur Erde, uns die Richtung weisen


So angenehm für eines jeden Blick

Dass in die Augen dringet Herzens Glück

Was nur begreift, wem es geschehen


Es scheint von ihren Lippen auszuwehen

Ein sanfter Geist, der Liebe voll

Dass Seele flüstert: dass ich seufzen soll


Die Frau, kurz, verbindet uns und unser Erdenleben mit dem Himmel. Was nun als Bild bei Baustelle ironisch dunkel blüht, zwischen Marlboro und Jaguar:


Eyeliner

Per Gesù Cristo


Wenn ich du wäre

Wäre ich wunderbar

Eine Orchidee

Der Atlantische Ozean

Brigitte Bardot

Haare schwarzer Gedanken


Jetzt wohne ich ja im Norden

Liebe dich ein bisschen

Zieh an der Marlboro

Du lächelst mich an

Wenn ich dir gliche

Wäre ich die Venus von Milo


Wenn ich die klassische Schönheit hätte

Die in dir lebt

Hätt ich, für einen Tag oder zwei

Die Ewigkeit

Deines unruhigen Bildes

Dann wär ich im Wind

Unheimlicher Boulevards

Eine Seerose

Ein schwarzer Komet

Ein Jaguar

Ein Star


Um dich zu verehren

Deine Freiheit

Wenige Zeilen

Doch nur für dich

Für deine Männer

Für den Cabernet Sauvignon

Also für deine Lippen

Genau deshalb

Glänzte ich

So sehr wie deine Keramik


Wenn ich zur Schau stellte

Dies Decolleté

Wäre es im Namen des Herrn

Deine Reinheit ist im Sein

Unbewusstes Art Dèco

Du bist auf dekadente Weise nackt

Deine Hüften

Hätt ich die

Für deine Lider

Für die kleinen dunklen Adern

Für ihre/ Eure Heiligkeit

Eyeliner

Für Jesus Christus

Und für den Cabernet Sauvignon

Also für deine Lippen

Genau deshalb

Für Jackie Kennedy

Und für Marylin

Für egal wen

Doch nur für dich

Elisa


(1) Paolo Jachia, Daniele Botta: I Baustelle. Mistici dell’occidente. Milano (L’Ancora) 2020, S. 32-34.

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