Rap hat ja so was von nem Film von früher. Der spielt in Milano-Baggio oder Bielefeld-Baumheide, „weißt du, was ich meine?“ Nebel auf den Straßen, Dealer an der Ecke, Muckibude mit Blutspritzern, qualmende Schlange am Späti, von hinten kommt ein dicker SUV, Mann drin mit Goldzähnen.
Tatsächlich kommen zwei der italienischen Rapper in Sanremo aus eher schäbigen Vororten von Mailand, und ob sie eine und wenn ja, welche Schule sie besucht haben, weiß keiner. Wäre bezaubernd, wenn sie, wie 34% der Italiener, funktionale Analphabeten wären. Weitere zwei Rapper, und damit sind wir bei vier von sieben Mailändern, die da in Sanremo herumsingen, stammen allerdings aus kulturell gehobenen Welten.
Heute gehen die Sprösslinge der Reichen nicht mehr dorthin, sondern auf irgendeine britische oder amerikanische Schule und was sie dort lernen, außer dem richtigen Akzent, intressiert nicht besonders. Das ist freilich kostspielig, und danach geht es noch nach Stanford, zur LSE oder, wenn es im Kopf nicht so blüht, auf die Regent’s in London. Wer kein Geld hat, hat heute daher eher Pech gehabt.
Unter den Licei classici gab es, gibt es wohl noch, in jeder größeren Stadt eine Rangliste. Auf Platz eins in Mailand stand immer das Liceo Parini, Platz zwei ist umstritten, oft steht da das Liceo Manzoni („il“ Manzoni, „la“ Manzoni ist ein neusprachliches Ding) an zweiter Stelle. Die Sängerin Rose Villain hat das besucht. Dargen D’Amico kommt vom Parini, zusammen übrigens mit Guè Pequeno.
Das Lied, welches Herr D’Amico in Sanremo 2024 vorträgt, soll, so erklärt er, etwas mit armen Einwanderern zu tun haben. Die muss er im Fernsehn gesehen haben. Irgendwie schwimmt im Lied aber tatsächlich jemand nach Malta. Sonst ist es ein netter Mix von diesen blöden Sachen, die wir alle immer so sagen, in Italien, während das Wasser steigt um uns, was ja kaum zu leugnen.
„‘O sentimento“, den Eingangsvers übersetz ich nicht. Dann wird es Rappermäßig ein wenig vulgär: “Manche nennen mich / Hurensohn“, ojoj. Zen Circus hatte da einen besseren Vers: “meine Mutter ist seltsam, sie nennt mich Hurensohn“. Der hiesige fragt nun: „Was ist schlimm daran?“ Nun: „Das Wichtige ist, eine Mutter zu haben“. Sagt man da im Südland so. „Die nicht zu viel arbeitet“, sie muss ja noch kochen, „denn das Leben ist kurz“, ja. „Manchmal nur einen Monat lang“. „Wenn du den Zug nimmst, bist du schneller“.
Redebrocken, nett montiert.
„Hast du die Wettervorhersage gesehen?“ – „Hast du in den Himmel geschaut?“
„Manchmal hat man sich zu lieb“ – „Auch einfach so, an einem Donnerstag, ohne Ankündigung, wie es kommt“.
„Wie kann ich ein Leben im Inkognito wollen? Wenn ich nur von mir rede?“
„Wenn ein Titel genug ist, um sein ganzes Volk zu hassen”.
„Kennst du Noah nicht? Nein, eh?” (blöder Witz: Der biblische Name Noè wird zu „No eh?“: „Nein, äh?“)
So brabbelt sichs dahin wie im Leben, aber „Da kommt, es kommt die Flut (hohe Welle) / wir stehen still, wir reden nicht und springen nicht“.
„Fühlst du den Schauer
Ich habe dich enttäuscht, ich weiß”.
Und dann wieder Katastrophisches:
„Wir sind mehr als die Rettungsringe auf dem Boot
Da kommt, es kommt die Flut (hohe Welle)
Wir können nur beten, bis es vorbei ist“.
Wieder Blabla: „Du siehst schüchtern aus
Hast du mich angelächelt oder nicht?
Ich bin schon mit einer anderen verlobt“.
Rätsel:
„Hey hey, mein Junge
Diesmal hast du wirklich was angerichtet
Bei der Luftabwehr auf einem Luftballon” (hören wir Nena?).
Blubb: „Dieser ganze weite Weg nur für einen vollen Kühlschrank
Um dich lebendig zu fühlen
Du hast nur einen Versuch
Sorry, wenn ich nichts vorher gesagt habe
Ich schick dir, was übrig bleibt, wenn ichs schaffe
Mama, ich hab geträumt, dass du ein Kind warst
Tochter, ich hab geträumt, dass du schwanger bist”.
Scheppernde Redensart auch: “Quando hai meno/ Vivi più sereno“: “Wenn du weniger hast/ lebst du leichter”. Fernsehdialoge? “Hier haben wir alles, es fehlt nur das Gefühl/ Und wir schaffen es nicht mehr, einander lieb zu haben”.
„Auch nicht so, an einem Donnerstag, ohne Ankündigung, wie es kommt“. …
„Da kommt, es kommt die Flut (hohe Welle) / wir stehen still, wir reden nicht
und springen nicht“.
Zum Schluss: „Um dich lebendig zu fühlen
gibt es eine Kissenschlacht
nur sind die Kissen etwas schwer
wenn es eine Schlacht für Kinder ist
Alle zusammen tragen die Schuld
Wir haben unsre Meinung geändert
Wir haben unsere Leader gewechselt
Aber die Mutter und die andern Frauen
Haben nichts zu lachen
Hey mein Junge
Da hast du was angerichtet
Auf einem Luftballon
Für den vollen Kühlschrank
Wir fahren, wir fahren nach Malta
Ohne je in tiefem Wasser geschwommen zu haben
Wir fahren, wir fahren nach Malta
Ohne je in tiefem Wasser geschwommen zu haben“.
Ganz am’ Ende hat Herr D’Amico zwei Reime auf Malta angeklatscht. Bis dahin schien es auf angemessen nett-scheußliche Weise um uns alle zu gehen.
Commenti
Posta un commento