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Der Lästerer. Fabrizio de André singt vom Zaubergarten

Auf dem Friedhof stehst du da vor diesen Steinen und denkst Geschichten.Vielleicht steht der Beruf drauf. „Hauptlehrer a.D.“ oder „Sanitätsrat“. Oder du weißt etwas, hast von dem oder der gehört. Ein Don Giovanni das, eine Heldin, eine Verrückte oder ein Säufer vor dem Herrn. Hast du nicht mehr selbst gekannt? Denk dir was!

Edgar Lee Masters hat in „Spoon River“, seinen Grabstein-Gedichten den Toten seiner kleinen Stadt in Illinois ihre Stimmen gegeben: dem Arzt, dem Chemiker, dem Verrückten, dem Gotteslästerer. Letzteres könnte, als Beruf, erstaunlich scheinen. Wir, wenn, lästern ja mehr nebenbei einmal. Es könnte aber doch, fragen wir den Lästerer, etwas daran sein?

Ich habe das Lästern als Kind gelernt am Ententeich hinter dem Bauernhof meiner Vorfahren. Das „Himmel, Arsch und Zwirn!“ meiner Cousinen erheiterte mich über alle Maßen, bis zufällig mal Mama neben mir stand und es eins auf die Mütze gab. Wir vermeiden so was dann ja auch, um niemanden zu kränken und, wissen wir‘s? um größere Hagel- und Blitzschläge zu vermeiden. Wo ich später deutsche lästerliche Reden aufgenommen hätte, wüsste ich nicht einmal zu sagen. Die erste Wiederbegegnung verdanke ich einigen Italienern auf einer Berliner Baustelle, von denen mein Freund Detlef den Ausruf „Porco Dio!“ mitbrachte, was die Lateintrümmer in unseren Hirnen in Bewegung brachte. Sollte das Porco ein Dativ sein? Gott dem Schwein? Ja was? .Ablativ? Nein, einfache Apposition. Gott Schwein. Detlef war begeistert und gewöhnte sich den Ausruf an. Ich habe ihn nur einmal vorgebracht, als ich eine italienische Freundin hatte, aber die Sprache noch nicht sprach. Sie war erschüttert. „Sag das bitte nicht!“ In Italien erkenne man an so einem Ausruf den bildungsarmen Hinterwäldler und Zoticone, Weshalb diese, wie ich später gelernt habe, selbst solche lieber Ersatzformen verwenden wie „Porco zio!“: Schwein Onkel. Was bedeutet, dass wir es mit feigen Hinterwäldlern oder -wäldlerinnen zu tun haben und das ist ja auch nicht schön. 


Der Lästerer von Edgar Lee Masters aber, Hinterwäldler aus Lewistown in Illinois, tat es nicht mal eben links und rechts nebenher, sondern hatte die Lästerei auf Dauer gestellt und kam deshalb zu Tode, hören wir. 


They first charged me with disorderly conduct,/ There being no statute on blasphemy./ Later they locked me up as insane / Where I was beaten to death by a Catholic guard.


Der Italiener Fabrizio de André hat dies, wie auch andere Gedichte aus „Spoon River“, sagt man ja: übersetzt oder übertragen oder „adaptiert“ (Wikipedia), wer weiß an was.


Das klingt dann: Mi arrestarono un giorno per le donne ed il vino/ Non avevano leggi per punire un blasfemo/ Non mi uccise la morte, ma due guardie bigotte/ Mi cercarono l'anima a forza di botte.


Etwa: “Sie haben mich eines Tages festgenommen wegen der Frauen und des Weins/ Sie hatten kein Gesetz, um einen Lästerer zu bestrafen/ Nicht der Tod hat mich getötet, sondern zwei bigotte Wärter/ Die mir die Seele suchten mit der Kraft ihrer Schläge“. Mir die Seele? Mi cercarono: für mich.


Keine katholischen, einfach bigotte Wärter. Dann wird der trockene juristische Jargon von Masters zu Bildern. Frauen und Wein, die Suche nach der Seele durch Schläge, was recht brutal ankommt.


Doch geht bei Faber, wie man ihn wie zärtlich auch nennt, dem eine erste Strophe voraus. Dass man ihn verstehe, den Lästerer.


Mai più mi chinai e nemmeno su un fiore/ Più non arrossii nel rubare l'amore/ Dal momento che Inverno mi convinse che Dio/ Non sarebbe arrossito rubandomi il mio.


“Nie mehr habe ich mich gebeugt, nicht mal über eine Blume/ Bin nicht mehr errötet, wenn ich Liebe raubte/ Seit dem Moment, in dem der Winter mich davon überzeugt hatte, dass Gott/ ohne zu Erröten mir meine rauben würde“.


Totgeschlagen habe man ihn, weil …


„Weil ich sagte, Gott habe den ersten Menschen betrogen

Habe ihn gezwungen, sein Leben wie ein Depp zu leben

Im Zaubergarten hab er ihn gezwungen zu träumen

Und nicht zu wissen, dass es auf der Welt das Gute und das Böse gibt


Als er gesehen habe, dass der Mensch die Hand ausstreckte

Um ihm das Geheimnis eines verbotenen Apfels zu rauben

Habe er, aus Angst, dass der dann keine Herren mehr haben würde

Ihn mit dem Tode gestoppt, die Jahreszeiten erfunden.


Sie suchten mir die Seele mit der Kraft ihrer Schläge.


Und wenn es zwei Wärter waren, die mein Leben gestoppt haben

Ist wirklich hier auf der Erde der verbotene Apfel

Und nicht Gott, sondern jemand, der ihn für uns erfunden hat

Zwingt uns, in einem Zaubergarten zu träumen

Zwingt uns, in einem Zaubergarten zu träumen


Bei Masters steht nichts von dem Zaubergarten, in dem wir leben, ohne ihn zu sehen. Der Jurist berichtet, zitiert nur:

To lead the life of a fool,/ Ignorant that there is evil in the world as well as good./ And when Adam outwitted God by eating the apple/ And saw through the lie, (was bei Faber nicht gegeben ist), God drove him out of Eden to keep him from taking/ The fruit of immortal life./ For Christ's sake, you sensible people,/ Here's what God Himself says about it in the book of Genesis:/ "And the Lord God said, behold the man/ Is become as one of us" (a little envy, you see),/ "To know good and evil" (The all-is-good lie exposed):/ "And now lest he put forth his hand and take/ Also of the tree of life and eat, and live forever:/ Therefore the Lord God sent Him forth from the garden of Eden." // (The

reason I believe God crucified His Own Son/ To get out of the wretched tangle is, because it sounds just like Him.


Der Làsterer wäre also ein besessener Bibelleser und nicht, wie bei de André, eine Figur eigenen metaphzsischen Gewichts. 

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