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Weise um Liebe und Tod. Maria Antonietta singt "Viale Regina Margherita"

Eine gebildete junge Dame singt. „Der Tiger Nichthier“ ist der Titel ihres Albums, nach einem Gedicht von Cristina Campo. Dünn wird die Luft dünn und Manierismus ist, was uns nun den Untergang umspielt. Im Video darf daher auch die Ophelia-Badewanne nicht fehlen, in welcher Maria weitersingt.

Gebildet sein, sich gewählt ausdrücken zu können, war in Italien bis Berlusconi, ders nicht konnte, das entscheidende Merkmal der gehobenen Stände, so dass ein falsch gesetzter Konjunktiv den bürgerlichen Tod eines Politikers bedeuten konnte. Heute aber spricht Frau Meloni frisch von der Fischleber weg wie tausend weiße aufgedunsene Salvininis, die großen Zeitungen schreiben es ihnen vor oder nach. Die Zeiten ändern sich. Da stehst du mit deinen wohlgesetzten Worten.


Die Sängerin namens Maria Antonietta erleidet den Zeitenwandel:

„Aber hier spricht niemand so gut wie ich

Das verdank ich meiner guten Erziehung

Niemand spricht so gut wie ich

Aber ich kenne nichts andres als Worte“.


Die gute Erziehung, ach, belohnte aber auch Folgendes:

„Niemand kann sich so gut verstellen wie ich

Das verdank ich meiner guten Erziehung“.


Vielleicht ist ja wenigstens das zu was gut. Die wohlerzogene Dame singt:

„Ich bin ja nur eine Passantin für dich“, oh verflossne Liebe!

„Die in ihren Mantel weint

Der Schatz, der einzige der Welt

Ist nie der erste noch der zweite“


An einen Schatz geht der Schluss des Liedes:

„Wenn du eines Tages an mich denkst, Baby, auf Viale Regina Margherita

Halte dein Leben ganz fest

Du kannst wetten, dass ich meins für mich behalte“.


Halten oder nicht? Frei bleiben, ja, aber auch Leben oder Tod? Auf Viale Regina Margherita? Denk an Milano, denn Mitverfasser des Lieds ist Francesco Bianconi.


Drei Ringe gürten die Mailänder Innenstadt. Auf der Circonvallazione esterna fahren die O-Busse („la fetida novanta”, der stinkende Neunziger, wie Bianconi singt) transportieren Einwanderer, Sinti, Roma, sonst fahrendes Volk und überhaupt arme Leute einmal ganz um Mailand herum. Auf der Circonvallazione interna fuhr auf hin und wieder nett begrünten Straßen die alte Peter de Vitt-Straßenbahn kreischend im Kreis, an San Vittore, dem alten Stadtknast vorbei, an

den Ausgehkanälen: romantisch! vorbei, bis der Ring von

globalisierungsbesoffnen Stadtplanern zerstört wurde. Innerhalb dieses inneren Rings gibt es einen dritten, auf dem nur Autos fahren und das zuhauf. Da ist sonst eigentlich nichts außer Asphalt und Büros. Dass sich wer zu Fuß dahin verirrte, ist selten, und wers tut, bereuts. Zu diesem innersten Ring gehört Viale Regina Margherita, an welcher sich als einzig Bemerkenswertem eine kreisförmige Säulenhalle, la Rotonda della Besana, um eine Kirche herum befindet, in welcher,

als ehemaligem Friedhof, Kulturelles stattfinden soll, wo aber nie jemand hingeht, eben weil in dieser Allee, also diesem Viale, ja auch nie jemand herumläuft. Diese Straße, also ein nichts, das gut klingt, gibt den Titel für das Lied von Maria Antonietta. „Du wirst an mich denken auf Viale Regina Margherita“, wie das so ist mit solchen Liebeserinnerungen. Es ist ja nichts, klingt aber nach was, wenn wir

mit sowas kommen. Denkst du an mich auf dem Kesselbrink? Ach, auf dem Appellhofplatz? Naja, als Ratschlag: „Halt dein Leben gut fest“. Ich werde dasselbe tun, singt Maria, die Königin. Ist vielleicht wirklich das das Thema? Festhalten oder gehen lassen? Das mit der Liebe ja auch, aber wie im Leben, im Spiel.


Es geht sonst im Lied eher um Kleidung. Aber, so viel Biographie darf sein, oder? Die Sängerin hat Mittelalterliche Kunstgeschichte studiert und etwas Theologie, ihr Vater soll Ikonenmaler gewesen sein. Co-Autor Bianconi neigt ja eh in Richtung Himmel oder nichts. Wenn das Ganze also, hier ist hier, aber zum Dort führt ein Schwung, etwas manieristisch wirken sollte, wäre das wirklich kein Wunder. Passt

ja auch zur Stimmendarstellung. 


Also wie ist das mit der Kleidung?

„Ich hänge die Kleider für den ewigen Sommer weg“: zweimal im Jahr rotieren ja die gewaltigen italienischen Kleiderschränke. Was sommerlich ist, kommt hoch, das Winterliche runter, oder umgekehrt, mit Mottenpulver und Hilfe einer Mutter oder Tante. Wen die Rotation aber die Kleidung des ewigen Sommers ergreift? Bleibts im Leben für diesmal?


„Ich hänge die Kleider für den ewigen Sommer weg

Wenn auch ich in meinen Augen schön und ohne Schuld sein werde

Aber weißt du nicht, dass der Preis noch zu hoch ist?

Wer bin ich (wer bin ich), um dir sagen zu können: Ich bezahle ihn nicht?

Wer bin ich, aber wirklich?


Aber hier spricht niemand so gut wie ich

Das verdank ich meiner guten Erziehung

Niemand spricht so gut wie ich

Aber ich kenne nichts andres als Worte


So versink auch ich im Schlamm

Hab nicht die richtigen Schuhe für diesen kalten Frühling“ … vor dem ewigen Sommer, oh? 

„Du wirst an mich denken auf Viale Regina Margherita

Halt dein Leben gut fest

Das ist mein Gesicht und das ist mein Mund

Wann werden meine Geheimnisse keine Schatten mehr werfen?

Aber weißt du nicht, dass der Preis noch zu hoch ist?

Wer bin ich denn, die sagen darf: „Ich zahl ihn nicht?“

Wenn du eines Tages an mich denkst, Baby, auf Viale Regina Margherita

Halte dein Leben ganz fest

Du kannst wetten, dass ich meins für mich behalte.

Na-na-ah

Na-na-na-ah“.

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