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Aber echt jetzt. Die Nase voll haben mit Piero Ciampi

Piero Ciampi (1934-1980), Dichter und Liedermacher, hatte sicher, wie man auf Italienisch sagt, ein Rad mehr, una ruota in più. Es kann sein, dass sich nur wenige an ihn erinnern, weil den Italienern ja Musik schnurz ist und Dichtung wurst, außer dass natürlich jede und jeder irgendwas gottlob Unveröffentlichtes selbst geschrieben und irgendwo liegen hat, mit dem er oder sie dich verfolgt, wenn du nicht aufpasst. Musst du. 

Das Liebeslied hier, das traurige, weil sie ihn nicht ranlässt, mit dem Gesicht der Verehrten, welches frisch in den Abend leuchtet, gefolgt von einem „du fehlst mir sehr“ wäre an sich nicht besonders überraschend. Das nächste Bild ist kräftiger: das Herz liegt rot und reglos auf der Straße und wird von der Katze gefressen. Dann eine, ja kein Vergleich, Metapher: „La tua assenza/ è un assedio“, deine Abwesenheit/ ist eine Belagerung“, also etwas Kriegerisches, Beschuss vielleicht und Aushungerung zugleich. Soweit la lagna del poeta, das Dichterjammer, dann eine Pause. Angriff folgt.


„Culo“ ist der Arsch, als Beleidigung auch für Schwule, heute aber nur noch von Altfaschisten oder solchen Leuten gebraucht, also vielleicht Frau Meloni sagt das mal chez soi, nicht hier. Fare ist tun oder machen, va Imperativ von gehen oder fahren. Vaffanculo also, etwa als Geh es in den Arsch tun zu übersetzen, kommt, unabhängig von erotischen Vorlieben, als handfeste Beschimpfung an. Es ist eigentlich mein italienisches Lieblingswort, wie es da von zentralen zu hinteren Vokalen übergeht, stimmhaftes w stimmlos f wird und der Plosiv und ein letzter Zungenschlag folgt. Ich erinnere mich an einen Fünfjährigen, der Anlauf nahm, stehen blieb, den Rücken durchbog und mit versteiften Armen und geballten Fäusten das Wort herausbrüllte. Va …ffan.. cuuulo! So etwa. Das war Freude am Sprachklang, am Ausdruck der Wut.


Vaffanculo, kurz, für Whatsapp und so weiter, auch vaffa, wird also bei Wutausbrüchen verwendet, gerade auch mit Leuten, die wir sonst ja recht liebhaben, auch, wie das in Italien so ist, von Kindern oder jungen Mädchen, welche morgens mit Zöpfen in teure Schulen gehen und nachmittags Klavier spielen. Das ist einfach anders als In Deutschland, wo Wampenpapa im Discounter vielleicht „Cazzo!“ (Schwanz, Scheiße usw.) brüllen würde, der Schnösel im Bioladen hingegen „Accipicchia!“ flüsterte. Schimpfwörter gehen oder fliegen im Südland durch alle Klassen. Das ist wie mit dem lauten Reden: Wenn es in Deutschland beim Essen aufwärts geht, hört man ja, wenn

einer oder eine sich nicht sehr bemüht, eher gar nichts mehr. Still wird es in Italien hingegen höchstens bei der unteren Mittelschicht, wenn die richtig schön essen geht, aber mal ganz fein. Soziale Missverständnisse liegen bei alldem recht nahe.


Piero Ciampi also geht im Lied zum Angriff über und schickt die Dame, nett gesagt, zur Hölle, nachdem er sie nochmals gefragt hatte, ob sie nicht näherkommen wolle. Seit vierzig Jahren wolle er ihr das sagen, singt er. „Ich bin schön, wunderschön“, vaffa, „auch die Intellektuellen und die Piraten!“, Vaffa, „Ja was, seit Jahrhunderten liebe ich dich! Seit 5000 Jahren! Und du sagst mir  nein!“, Vaffanculo“, „Du und alle deine Lieben“. Vaffanculo. „Lach nicht. Stell mir den Stuhl hin und verzieh dich“.


„Ma“? „Ma vaffanculo!“, „Ma“ heißt „aber“ oder „sondern“, laut Reverso auch „trotzdem“, „allerdings“, „obwohl“ oder „vielmehr“. Aber hier? Nicht Konjunktion, sondern Modalpartikel,  Exklamativ für Unerwartetes, „aber“, ja etwa: Unterbricht den Redefaden, dieses „ma“, wendet. führt hier zugleich zu einer Summe, wie „aber wirklich“ oder „Aber echt jetzt“.Vaffa.



Die Mühen des Dichters


Dein Gesicht

Existiert frisch

Während ein Abend

Sü. über dem Hafen sinkt

Du, fehlst mir sehr

Jede Stunde mehr

Deine Abwesenheit

ist eine Belagerung

Aber ich bitte dich

Um einen Waffenstillstand

Vor dem großen Angriff

Denn ein Herz liegt träge

Rötlich auf der Straße

Und eine Katze frisst es auf

Unter gleichgültigen Menschen

Aber das bin ich nicht

Das sind die andern

Und so

Kommst du näher, nein?



Dichterwut


Ma vaffanculo

Ma vaffanculo

Seit vierzig Jahren will ich dir sagen: “ma vaffanculo”

Ma vaffanculo

Dir und allen deinen Lieben, ma vaffanculo

Also wie?

Seit Jahrhunderten liebe ich dich doch

Seit Fünftausend Jahren

Und du sagst mir nein

Ma vaffanculo

Weißt du, was ich dir sage

Vaffanculo

Dir, den Intellektuellen und den Piraten, vaffanculo

Vaffanculo

Weiter habe ich dir nichts zu sagen

Weißt du, was für ein schönes Vaffanculo du dir mit ins Grab nimmst

Denn ich bin schön, bin wunderschön, wo gehst du denn hin?

Ma vaffanculo

Und lach nicht

Weißt nichts von Benehmen, eh?

Bring mir einen Stuhl und hau ab

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