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Nicht nachdenken. Lass es. Baustelle: Cimitero Monumentale

Baustelle singen über einen Friedhof. Es ist der Cimitero Monumentale in Milano, Italy. Dementsprechend nicht das Schlichteste aller Lieder, und doch singen sie einfach über dich oder mich. Lebende, Lebender (noch) auf dem Friedhof. 

Der Herr Canetti meinte ja, wir gingen gern auf den Friedhof, weil wir die Tatsache genießen, die andern alle überlebt zu haben: "Ich stehe. Die andern liegen." Genieß ich nicht. Also was?

Ich gehe ja, wie so viele, auf Friedhöfen zu Gräbern wie dem von Herrn Friedhof himself, also Kierkegaard, wo sich Grüppchen bilden und diskutieren, oder zu dem von Hölderlin, allein im Regen, und naturgemäß zu Hegel in Berlin. Wolf Biermann hat das Anziehungsvermögen dieser Gräber mit berühmten Toten ja besungen. 


"Wie nah sind uns manche Tote / doch wie tot sind uns manche, die leben", als Schüler habe ich das immer gern mitgesungen, später immer mal wieder, doch die lebenden Toten sollten uns, denke ich heute, eher egal sein. Die gefühlte Nähe zu den Toten, die also für uns leben, kann hingegen die Form des hohen Geistergesprächs annehmen, wie ein polnischer Edelmann pur sang geschrieben hat. Hoch wäre die andere Seite, aber uns gewährte das Anleitung, mal Trost, mal  Klarheit. In Berlin auf dem Dorotheenstädtischen kommt ja dann auch die boshafte Freude dazu, Hegel neben Fichte liegen zu sehen. Ob die da untereinander ...? Beide verstanden sich ja aufs Schimpfen. Die arme Frau Fichte: "Musst du immer den Säbel mit ins Bett nehmen?", "Der Franzos steht im Land, Frau!", ist übrigens auch da. 

Was aber ist anziehend, wenn da kein Gelesener liegt? Auf dem Mailänder Monumentale ruht denn wohl auch Alessandro Manzoni, aber über der Erde im kalten Gebäude der Ehrengräber, im Famedio, weil man ihn nicht bei seiner Familie hat lassen können, Nationaldichter der er ist. Auf den weiten Feldern des übrigen Friedhofs begegnen einem eher Namen wie Bocconi oder Falck oder Campari. Was ist es also, was diesen Friedhof, weitgehend ignoriert von den gewählten Banausen an der Stadtregierung, neuerdings aber beliebt bei der Touristenschleusung, so anziehend macht? Die Reihen der Tranvieri, der Straßenbahnfahrer? Das Monument des Herrn Vogel? oder anderer österreichischer oder deutscher Familien? Die magere Säule für "Zwei Sozialisten"? Vielleicht der Stein, auf dem nur "Warum?" steht?
Käm man ins Nachdenken. Baustelle sehen das anders, vom ersten Vers an. 

"Friedhöfe bringen nicht zum Nachdenken",  sondern "du bist es, der sich da irrt, wenn du, müde, verzweifelst und weinst, um die Löcher der Abwesenheit zu füllen". Die aber "lebt als Fülle die Auszeit", ja, "vacanza": Ferien, "e non spira mai": "und haucht nie das Leben aus". Möchte man auswendig nachsprechen: 
"E piangi per colmare i buchi dell'assenza, 
Vive come il pieno la vacanza e non spira mai."
L'assenza, der Tiger, wie Cristina Campo sie nennt, lebt weiter. 

"Vergiss also die Debatten / das Netz, die Fernsehprogramme / einen Tag lang studiere nicht / chatte nicht, sondern lieber / umarm ganz fest, wer dich liebt". Gut. 

Nun einmal klar und deutlich: 
"Zwischen den dunklen Gräbern des Monumentale 
gibt es keinen Gott, gibts nichts Böses, nur vage Dunkelheit 
die Kirchhöfe kennen keine Reue
du bist es, der sie ausbrütet, sie zu Gespenstern macht 
singst sie, um ihr Fehlen weniger zu fühlen
Als ob die Existenz und das Echo nicht genügten, das diese gibt
Es ruht hier in Unendlichkeit (ad libitum) deine Blödheit". 
Der eine Messe. Hier bist nur du, wie nirgends sonst. Das ist der Friedhof.

"Komm in den Schatten der Zypressen 
schenke Liebe, am Nachmittag 
dem, der sein Leben baumeln lässt 
zwischen den befreundeten Urnen des Monumentale 
das Wirkliche und das Unwirkliche, komm und lern sie kennen."

Zypressen, wir sind im Süden. Andrea Emo, der versteckte Philosoph, erklärt es uns Schneemenschen: ""Die Zypresse ist das Symbol der Einsamkeit, ist ein in sich geschlossener Baum und der reinen Höhe der reinen Vertikalität gewidmet; alles Horizontale hat er in sich beschlossen, es ist sozusagen innerlich; deshalb ist die Zypresse, ohne Horizontalität, Poesie des Gipfels, ist sie so schön am Horizont. – Ein Zypressenweg ist eine Versammlung von Einsamkeiten, die einander betrachten, aber sich nicht vermischen. – der Adel der Einsamkeiten, eine Gesellschaft von Souveränen". 
Traum im Süden, gern auf der Toteninsel. 

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