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Barbera für den einen, dem andern Champagner ... Mailänder Hymne von Giorgio Gaber

Mailand ist, bürgerlich betrachtet, eine Totgeburt. Keine Stadt lebt, wenn jeder, der es sich grade noch leisten kann, jeden Freitagabend zwei, drei Stunden auf der Autobahn stehen will, nur um raus- und erst Sonntagabend wieder reinzukommen. Keine Stadt lebt, die von ihren Bewohnern nur als Arbeits- und Schnarchstätte gesehen wird. Was in Mailand aber lebendig war, bevor die Stadt Schickikratzerviertel mit Vertikalbegrünung für scheichreiche Erdenfremdlinge wie Chiara, die Zecke, und ihr weinerliches Rappermännchen, für russische Protzbosse im Bademantel und im Öl plätschernde emiratische Alleskäufer in den inneren Stadtring gesetzt hat, weil dann alles aussieht wie in Singapore, was hier bis vor zehn, zwölf Jahren lebendig war, war die Idee, Arm und Reich könnten einander begegnen, miteinander reden und sogar nebeneinander wohnen, weil es auch in den damals teuersten Straßen immer wieder Sozialwohnungen gab, wo die Kids der ganz dünnen Luft etwas wie Nutellabrötchen bekamen. 

Etwas Ähnliches geschieht in diesem Lied von Giorgio Gaber, vielleicht die vergessene Hymne Mailands. Der eine trinkt Barbera, den süßlich-kratzigen Wein aus den Hügeln um Pavia, der andre Champagner aus naja. Der Arme und der Reiche, im selben Lokal! wie das mal ging, kommen ins Gespräch. Mittendrin ein Huela! Lieblingsausruf vom Duomo bis mindestens zum Adda, für Arm und Reich, Der Reiche ist hier Filialleiter von Onestà: Ehrlichkeit hieß die Kette kleinere Kaufhäuser für preisgünstige und robuste Kleidung, die in Mailand in den Sechzigern einen Riesenerfolg hatte. Schöner Name? Seit 2003 gibt es die Läden nicht mehr.

Traurig bei seinem Glas Barbera

Ohne seine Liebe am Tisch der Bar

Sein Nachbar im Abendanzug

Traurig bei seinem Glas Champagner


Schon sind fast drei Stunden vergangen

Kommen Sie doch! Wir schieben die Tische zusammen

Ich will singen und vergessen

Mit unsern Weinen unsre traurige Liebe


Barbera und Chamapgmner, heut Abend trinken wir

Denn schuld ist meine Liebe, parapapa

Denn schuld ist meine Liebe, parapapa

Auf unsern Schmerz stoßen wir an

Mit deinem Glas Barbera

Mit meinem Glas Champagner


Was waren sie traurig und allein an diesem Abend

Ohne die Frauen am Tisch einer Bar

Longo, Fanfani, Moro und runter mit dem Barbera (Politiker)

Gianni Rivera und Mao und runter mit dem Champagner (der erste Fußballer)

Hoho! Aufgepasst! Wollen Sie mich beleidigen?


Ach was! Was du dich aufregst, lass mal!

Komm! Wir tanzen zusammen diesen Tango

Wir tanzen zusammen, um zu vergessen


Barbera und Champagner trinken wir heute Abend

Denn schuld ist meine Liebe, parapapa

Denn schuld ist meine Liebe, parapapa

Auf unsern Schmerz stoßen wir an

Mit deinem Glas Barbera

Mit meinem Glas Champagner


Was für ein Idiot der Kellner!

Was setzt der uns auf die Straße?


Schau nur, es wird hell, der Morgen!

Es ist spät geworden, wir müssen gehen

Doch würde ich Sie gern wiedersehen

Ich bin Filialleiter beim Onestà!


Freut mich sehr, ich bin arbeitslos

zur Zeit, aber wer weiß?


Barbera und Champagner, heut Abend trinken wir

Denn schuld ist meine Liebe, parapapa

Denn schuld ist meine Liebe, parapapa

Auf unsern Schmerz stoßen wir an

Mit deinem Glas Barbera

Mit meinem Glas Champagner

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