Ende September 2004 steht beim Atreju-Festival in Viterbo, nicht weit von Rom, die Gruppe 270bis auf der Bühne.
Atreju! Wir erinnern uns an den Helden aus Michael Endes „Unendlicher Geschichte“? In Hunger und Entbehrung aufgewachsen, standhaft in Hitze und Kälte, mutig und entschlossen? So ein rechter kleiner Spartaner, das, Leitbild für jugendliche Kämpfer.
Das Festival ist eine Gründung Giorgia Melonis.
Das Lied, das die Gruppe vorträgt, hat den Titel „Claretta e Ben“. Keine italienisch-amerikanische Lovestory. Ben steht für Benito*.
Die Geschichte zum Lied: Am 28. April 1945 haben Partisanen, auch eine längere Geschichte das, Benito Mussolini und seine letzte Geliebte, Clara Petacci, erschossen und die Leichen auf dem großen Piazzale Loreto in Mailand kopfüber aufgehängt. Daran erinnert das Lied. Reggae-Sound. Steht hier nicht für Kiffen für alle. Und schwarz sind in Italien die Faschisten.
Auf, wacht auf
Erhebt euch
Ich seh im Himmel wie eine Fahne
Wie einen Adler
Zwischen den Wolken
Der in der Erinnerung erblüht
Vielleicht ist es eine Hymne
Oder nur ein Traum
Erinnerung an ein Lied
Aber er steigt jetzt
Wie der Rhythmus
Eines Marschs in meinem Herzen
Sie haben auf ihren Körpern getanzt
Sie haben auf ihren Namen gespuckt
Sie haben ihre Gräber versteckt
Aber auslöschen können sie sie nicht
Du kannst sie sehen, weißt du
Sie sind alle hier
Ihre Arme gen Himmel gestreckt
Sie sind alle hier
Ich sehe sie
Es regnet Blumen auf piazzale Loreto
Das ist ein Platz voller Träume
Eine Armee lieber Freunde
Tausend Seelen von Gefallenen
Aber in der Erinnerung haben sie sie nicht ermordet
Es sind die Jungs von Acca Larentia”
Drei 1973 vor dem Parteisitz der MSI ermordete junge Faschisten.
„Und die Jungs im schwarzen Hemd
Die Brüder von Primavalle
Und die Märtyrer aus Emilia”.
Auch letztere Opfer linker Anschläge. Kurios die Mischung von
faschistischen Tätern und Opfern …
“Und jetzt bin ich hier
Bin für immer hier
Sie marschieren wieder
Aus den Gefängnissen heraus
Aus den Foiben**
Aus den Schreinen der Erinnerung
Tausend vor mir
Tausend hinter mir
Und weitere tausend auf jeder Seite
Schwer vorzustellen
Aber ich glaub daran
Es regnet Blumen auf Piazzale Loreto
Und ich habe ein schwarzes Herz
Und viele Leute
Wollen mich auf dem Friedhof
Aber ich hab das schwarze Herz
Ich pfeife drauf“: faschistischer Slogan,
„und spucke der ganzen Welt ins Gesicht“
Da kommt sie her, Giorgia Meloni, so eine nette junge Frau! Hat auch abgenommen, wie? Weniger bekannt ist in der weiten Welt ihre große Leidenschaft für Fantasy-Literatur. Das ist innerhalb ihrer politischen Bewegung an sich nicht ungewöhnlich. Schon in den achtziger Jahren zog eine Zeitschrift namens „Der kleine Hobbit“ auch junge Leser in die rechte Richtung.
Fotos zeigen Meloni und den Frontman der Gruppe 270bis als Best Friends, mit dem Bruder soll sie mal liiert gewesen sein. 270bis ist ein Paragraph des italienischen Strafgesetzbuches, aufgrund dessen Frontman Marcello de Angelis schon mal drei Jahre im Gefängnis verbracht hat. Heute arbeitet Marcello als Kommunikationsexperte für die Region Lazio.
Nach Paragraph 270usw. wird bestraft, wer Vereinigungen gründet, organisiert, leitet oder finanziert, die terroristische Zwecke oder den Umsturz der demokratischen Ordnung haben“.
*Benito Mussolini: Italienischer Diktator, bekannt für die Abschaffung der bürgerlichen Freiheiten, für Morde und Misshandlungen von Schwulen und allen, die ihm und seinen Kumpanen in den Weg kamen, und das waren viele, für ein paar Kriege, Kriegsverbrechen, Verschickung von Juden und „Zigeunern“ ins KZ. Lange Zeit Idol Adolf Hitlers.
** Die Foiben sind Erdlöcher in Friaul, Istrien und Dalmatien, unter
denen sich unergründliche Höhlen befinden. Die werden seit langem
dazu genutzt, unliebsame Menschen verschwinden zu lassen. Kriminelle
haben das getan und die Faschisten mit Gegnern und Kommunisten mit
Gegnern und Titos Partisanen mit Italienern, die wegsollten. Je nach
politischer Herkunft erinnert man an die einen oder anderen Toten in den
Foiben.
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