Was eher überraschendes Ereignis ist, bei einem, darf man vermuten? Ausflug aufs Land?
Hier singt einer aus der Stadt. Milano. Er singt die Mailänder U-Bahn entlang. Es beginnt fremdelnd:
„Pamela in via Urugay erklärt dir die Bibel“
Uruguay! Stadtrand- und Klangname auf dem U-Bahn-Netzplan. Wenn du magst, denk an QT8, Gallaratese: denk an große Vorort-Wohnblöcke mit bisschen Grün, so zwischen Piazzale Lotto und Parco Trenno, wo Läufer ihre 4, 07 Km-Runden drehn und Gras gibt es auch. Tief im Westen der Stadt.
„Du schickst mir eine Nachricht, du wartest auf mich und bist dabei …“
Oder bereit, mit mir zu schlafen? „Ci stai” ist etwas mehrdeutig da, Wär jedenfalls gut zu wissen, wo sie ist, oder er. Die Antwort:
Dateo! Auf der andern Seite der Stadt, an der äußeren Ringstraße, wo lange nur der düstre Oberleitungsbus hielt, wo in fremdländischen Restaurants ansteht, was hier Happy Hour heißt: Resteessen mit Getränk.
Dateo, „un neo“ reimt die Gruppe Calcutta in dem Lied „Lächeln“: ein Muttermal, ein kleines. So bekannt? Das schwarze Pünktchen ist aufgestiegen ins Netz erst des Mailänder Passante, der „Verbindungsbahn“, wo verschiedene schmuddlige Lokalzüge so etwas wie eine S-Bahn bilden sollen, dann der U-Bahn-Linie 4.
Dateo: Umsteigeplatz, Kreuzungspunkt für alle, die von draußen reinwollen in die Stadt oder umgekehrt. Für alle. Sinnig auch Kulisse zu Neffas Video zum Lied „Bevor du weggehst“.
Nu Baustelle:
Arcangelo azzurro elettrico di Dateo
Con occhi di giada di sacro scarabeo
„Himmelblauer elektrischer Erzengel von Dateo
Mit Jadeaugen eines heiligen Skarabäus“
Auch Mistkäfer ..
Besingt das eine Lokomotive?
Dann das Gerede im Zug, in der U-Bahn oder im Lokal neben den Bahnhöfen, es geht um Badeorte, zurück in Milano:
„Braungebrannt in Nolo, Circeo kümmert mich n Scheiß“
Der weniger mit Liegen und Sonnenschrimen vollgestellte, also weniger schicke Strand, aha.
Zurück in Milano! Das …
„ist die Metapher der Liebe“.
Milano? Auto-, Wimmel-, Grauhausstadt, wos zwei Monate im Jahr regnet? und gern auch nebelt? Bis in die U-Bahn hinein? Das Lied „un romantico a Milano“ rechnete doch auf einen Gegensatz hier.
„Alles dessen, was sich ändert“, ja, wie Dateo … „Des Lebens, das vergeht“. Diese Stadt:
„Allein steht sie in einer großen Geographie des Schmerzes“, Straßen oder Bahnlinien?
„ich bin ein Desperado, hab mirs Herz zermartert
Erledigt seit der Geburt, aber diese Stadt
Bringt dich um und erweckt dich wieder zum Leben
Man wird geboren und man stirbt
Hier bleibt es wunderschön, sich zu verlaufen!
Einfach ausprobieren!“
Was nun tatsächlich, seit Kafka mindestens, in Milano eine Erfahrung ist.
Zurück in die U-Bahn? Porta Venezia, einmal Randmarke, Tor der Stadt, wo Corso Buenos Ayres beginnt, die Shoppingmeile für weniger Bemittelte, besungen von Myss Keta: „Wir
nehmen einen Shot, dann rein ins Shopping“.
Isola hingegen, lange Zeit runtergekommen und von wer weiß, wem und wie bewohnt, wohl auch von Künstlern. Der historische Kiez ist beute hip und hat auch ne U-Bahn. Also:
„An der Porta Venezia oder in Isola in einer Kneipe
Will ich dich küssen, Jesus Christ Superstar“
(jeder italienische Mann ist ja Sohn einer Jungfrau Maria)
„Ein Junkie schläft auf piazza Cincinnato, die Nadel im Bein, oh oh
Von via San Gregorio nach Brenta, von Gorla nach Rho”
Zwischen dem letzten Bier und der Zeit, die ich nicht mehr habe“.
Piazza Cincinnato, via Gregorio liegen nah am Hauptbahnhof, dem abgeschnittenen admirable fascist building, der im Lied nicht vorkommt.
In via Gregoro steht noch der Theatersaal der "Gesellschaft für gegenseitige Hilfe der Lokomotivführer und Heizer (fuochisti). Heute ein Restaurant.
Aber vor allem liegt via Gregorio genau in der Mitte zwischen piazza Repubblica und U-Bahnhof Lima, zwischen Linien 3 (der gelben) und 1 (der roten). Mit der 3 nach Brenta, mit der 1 von Gorla, einem der kleinen Vororte, die an der via Monza aufgefädelt sind, wo 1944 184 Kinder bei der Bombardierung einer Grundschule von alliierten Bomben getötet wurden: gefühlte, nachklingende Mailänder Geschichte, nach Rho, zurück im Westen, schon aus Milano hinaus, wo heute das Messegelände liegt.
„Da mittendrin ist ein Atem, die Haut der Leute, Rock and Roll“
Ja, „ragazzi“ heißt es im Original, was man zwar mit „Jugendliche“ übersetzen könnte … da aber etwa jeder bis mindestens 45 in Italien „ragazzo/a“ ist, nun.
„Milano ist die Metapher der Liebe
Alles dessen, was sich ändert, des Lebens, das vergeht
Milano ist die Metapher der Liebe
Ist das letzte Schauspiel, das Leben das vergeht“
Moment: „vita che va“ wäre wörtlich: “Leben, das geht/läuft“.
„Allein gegen die Welt”, zitieren sie sich selbst, “allein gegen die Welt“ stehe ich in Milano,
„Gegen die Welt von Faschismus und Öde“.
Am Rande: Die tun ja so, in Milano, als segelten sie alle in nachpartisanischen Antifa-Geist. Tatsächlich ist der Faschismus hier geboren. Und noch heute … aber nun.
Milano wird zum Schluss noch aufgestuft:
„Milano ist das wahre Symbol der Liebe
All dessen, was sich ändert und läuft
Milano ist die Metapher der Liebe
Ist das letzte Schauspiel, das Leben, das läuft
Großartig steht sie in einer Epoche, die wir vergessen können
Ich bin verliebt, ich bewache dein Herz
Ich tappe immer im Dunkeln, aber diese Stadt
Bringt uns um und erweckt uns zum Leben
Hier bleibt es wunderschön, sich zu verlaufen!
Einfach ausprobieren!“
Über Milano gibt es nicht viel Genaues. Ein Buch von Alberto Savinio von 1944. Von Baustelle das Lied „Un romantico a Milano” zitierte zwei Manzonis und das angebliche Künstlerviertel Brera, wo du, heißt es, eine junge Frau dreimal zum teuren Abendessen ausführen musst, damit sie Gnade zeige und, wie es hier heißt, „sie dir gibt“. Alles Stadtmitte und nicht das, nicht die Stadt, Milano, wie übergekocht, aber wild durchpumpt. Das atmet.
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