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Doppelte Fremdheit: Didi Martinaz: Göttingen

Wenn wir uns unsere Geschichte erzählen, vergessen wir gerne das eine oder andere oder erfinden Hübsches hinzu. Eine kleine nette Lüge kann für das gute Verhältnis zu Groß- oder Urgroßeltern ja wahre Wunder wirken. 
Italiener stellen daher gern vor, sie seien Gegner der bösen Nazis gewesen, hätten vielleicht auch in Gefangenenlagern Zeit verbringen müssen, im Übrigen aber, das Gewehr in der Hand, irgendwo in den eisigen Höhen des bergigen Nordens auf deutsche Soldaten geschossen, was nun, nun ja, nicht die ganze Geschichte ist. Auch Didi (Maria Serena Silvana) Martinaz singt, wie soll man sagen, auf dieser Schiene. Doch stammt ihr Lied "Göttingen" aus Frankreich, und da hat doch alles seine Richtigkeit. 
Nun kommt Didis Version ganz italienisch daher. Sie vergleicht nicht "die Seine" und "den Wald von Vincennes" mit Göttingen, wie das die Autorin Barbara getan hatte, sondern "unsre Sonne" und "unser Meer", "Lieder über überwältigende und leidenschaftliche Liebe",  "verzauberte und poetische Nächte", die es da im Norden nicht gebe, wo sie aber immerhin "Veilchen" hätten und blonde Kinder: kaum überfliege "ein Lächeln diese Gesichter", "kannst du ihre Gedanken lesen", ja: "die Kinder, hier und dort, sind dieselben".
Schwacher Trost? "Sicher kenne ich die Erinnerung, die Tatsachen unsrer Geschichte" ... : aber jetzt  würde ihr "Herz weinen, wenn die Kanonen wieder ihr Donnern" begännen. 
Alle nationalen Gemeinplätze sind auf dem Tisch. Für den Frieden sind wir auch. Und doch ist "Göttingen" ein eigenartig verfremdendes Lied. Das liegt nicht nur an der Stimme von Didi Martinaz. 
Das Spiel steckt im ständig wiederholten Titel: "Göttingen". Das "ö" ist für einen Mailänder nicht schwierig (Ö la zia Peppa), aber  sonst eben deutsch. Der italienische Akzent läge auf dem "ing". Der deutsche auf der ersten Silbe, der französische auf der letzten. Wenn Martinaz ihn manchmal aufs "ing", manchmal auf die letzte legt und dabei doch "Gö" singt, dann gibt das ein Hin und Her aus einer Zeit, als es Europa noch gab.

Göttingen

Non ci sarà di certo il mare
i fiori non saranno gli stessi
ma com'è bello tu sapessi
a Göttingen, a Göttingen

Tu non ascolterai canzoni
d'amore folle o travolgente
ma ci si vuole bene ugualmente
a Göttingen, a Göttingen

Certo conosco la memoria
i fatti della nostra storia
Hermann, Peter, Helga e Hans
a Göttingen
"
E che nessuno se la prenda
se ogni racconto ogni leggenda
comincia come c'era una volta
a Göttingen

Sarà più azzurro il nostro cielo
sarà più caldo il nostro sole
ma come sono belle le viole
a Göttingen, a Göttingen

Avremmo languidi tramonti
notti d'incanto e poesia
ma è uguale la melancolia
a Göttingen, a Göttingen

Basta che l'ombra di un sorriso
appena sfiori il loro viso
e potrai leggere i pensieri
dei bimbi biondi
di Göttingen

E non stupitevi di questo
potrà mutare tutto il resto
ma i bimbi resteranno gli stessi
qui da noi e a Göttingen
Che mai più possano tornare
il sangue l'odio ed il dolore
perché qualcuno mi sta a cuore
a Göttingen a Göttingen

E quando suonerà l'allarme
se tuonerà il cannone ancora
il mio cuore piangerà allora
per Göttingen, per Göttingen





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