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Ornella Vanoni in Sanremo, 2018


Immer ein kleines bisschen zu theatralisch, denn Theater hat sie gelernt, und zwar bei Giorgio Strehler. Ja, sie ist nicht mehr ganz jung, selbst für italienische Fernsehverhältnisse. 

Geboren 1934, hat sie noch die Lieder der Mala Milanese gesungen, wie die lokale Kriminalität hieß, bevor sie in den achtziger Jahren von der Mafia weggewischt wurde. Der "Apache" im Lied von der roten Java ist so ein Mailänder Gangster, der klaut und raubt und dem auch ein paar Tote nicht viel ausmachen. Das Lied stammt aus den Zwanzigern. Das Bal Tabarin, das Cabaret: das Paris dieser Zeit. Davon habe die schöne Dame genug und wolle ihre edlen Verehrer in billige Tanzlokale voller Flittchen und Ganoven schleifen: Im miesesten und scheußlichsten Esslokal, unter den Blumen das Bösen (!) und den Kavalieren der Nacht, kommt eine Gruppe hinzu, die Musik spielt eine Java und der Gangster bittet die Schöne um den Tanz.
Sazia d'hotel, di tabarin, di cabaret
la bella dama volle trascinar con sé
la brigata dei suoi nobili corteggiator
in un bar musette di gigolettes e malfattor.

Im miesesten und scheußlichsten Esslokal, unter den Blumen das Bösen (!) und den Kavalieren der Nacht, kommt eine Gruppe hinzu, die Musik spielt eine Java und der Gangster bittet die Schöne um den Tanz.
Nella più losca e abominevole gargote
tra i fior del male e i cavalieri della notte
la comitiva entrò, lei sola non tremò
una java incominciava e un'apache l'invitò.

Und was sagt so ein Gauner? "Das ist die rote Java, da gibt's eine ganze Geschichte von Liebe und von Tod, du tanzt dein Schicksal mit mir, schöne Dame".
"Questa è la java rossa ch'è tutta una trama
d'amore e di morte, la tua sorte
bella dama, tu la danzi con me." 

Und weiter: "Fühlst du es nicht bei jedem Schritt? Dies Spiel ist tödlich, du gefällst mir zu sehr, entweder deine Küsse oder der Dolch, andern Ausweg gibt es nicht":
"Non senti ad ogni mossa che il giuoco è mortale?
tu troppo mi piaci, o i tuoi baci o un pugnale
altro scampo non v'è."

Sie gibt sich ihm hin, verschwindet dann aber. Als er sie wiederfindet, tanzt er noch einmal mit ihr, ersticht sie und lässt sich dann von der Polizei festnehmen. Das ist die rote Java, der tödliche Tanz.

Da träumt sich das romantisierte Mailand der Gangster nach Paris herüber. Es ist die Zeit, deren letzte Ausläufer Charles Aznavour und Mia Martini waren. Mina sang auf Deutsch, Udo Jürgens auf Italienisch. Gibt es nicht mehr, das. 
Auch Ornella Vanoni findet fürs Festival nur noch italienische Worte. "Tag für Tag / ohne zu wissen / was mich erwartet": aha. Das Leben? "Es liegt nicht in meiner Hand / Freude und Traurigsein / immer vorne / Zimmer an Zimmer / verbunden":

Giorno per giorno
senza sapere
cosa mi aspetta
non è in mio potere
Gioia e tristezza
Sempre davanti
stanze vicine
comunicanti

"Und im Grunde fühlen, dass nichts zu Ende geht / die Gegenwart eine unendliche Zeit / wird nie vergehen / wir müssen in diesem Leben lieben lernen / wir müssen zu lieben lernen, wenn es vorbei ist / und jeden Augenblick leben bis zum letzten Gefühl":
E in fondo sentire che niente finisce mai
E’ un tempo infinito il presente
Non passerà
Bisogna imparare ad amarsi in questa vita
Bisogna imparare ad amarsi quando è finita
E vivere ogni istante fino all’ultima emozione

"So", das Versprechen, "werden wir lebendig sein" oder besser: leben, wir: "Käfig aus Knochen / freies Herz". 
Così saremo vivi
Gabbia di ossa
Libero cuore
Hai perso dolcezza
Da ogni dolore
Conservo l’infanzia
La pratico ancora

"Du hast Zärtlichkeit verloren / mit jedem Schmerz", sie aber, ich  "bewahre die Kindheit / ich treibt sie weiter". Aber was spielt sie da? "Die Verführung bezaubert mich immer / im Grunde fühlen, dass es dich gibt, Glück / Umarm mich noch einmal / das ist mir genug". 

Vergangene, vergehende, vergängliche Liebe leben. Das sei zu lernen. 
La seduzione mi affascina sempre
E in fondo sentire che esisti felicità
Abbracciami ancora una volta
mi basterà

Ein wenig zu ... erklärend? Zu erläuternd? zu weitschweifig?  Warten wir auf die Musik. Und das Theater Ornella Vanonis.  


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