Sanremo
ist ja an sich schon schrecklich genug, seit Jahren auch von
Hervorbringungen der verschiedenen Talentshows und der
alleszerdrückenden Tätigkeit einer herrschsüchtigen, was ja noch
anginge, aber zugleich amusischen und geistlosen Dame heruntergeheult
(ein Erzeugnis: amore,
amore, amore, amore mio).
Nur die Genies von Elio
e le storie tese haben
da in vergangen Jahren etwas aufhalten können.
Nun
ging die Hoffnung um, dieses Jahr würde lo Stato sociale ein
wenig Luft in das Theater bringen. Hätte ja sein können. Nun, der
Liedtext ist schon jetzt erschienen, heißt es, und der ginge so:
"Du
bist Kellner oder verkaufst Versicherungen,
bist
Weltmeister oder Grundrentner,
bist
als Reicher geboren, Staatsheld,
Streifenpolizist,
Verschrotter ..."
Was
auch immer: "Warum machst du das?"
E
fai il cameriere, l’assicuratore
Il
campione del mondo, la baby pensione
Fai
il ricco di famiglia, l’eroe nazionale
Il
poliziotto di quartiere, il rottamatore
Perché
lo fai?
Und noch einmal:
"Du
bist Kandidat, dann auf der Straße
manchmal
Dieb oder Bestohlener
und
du machst Opposition und den Gesinnungstäter
oder
den Künstler wie dein Vater, oder den Fashionblogger
Warum
machst du das?"
E
fai il candidato poi l’esodato
Qualche
volta fai il ladro o fai il derubato
E
fai opposizione e fai il duro e puro
E
fai il figlio d’arte, la blogger di moda
Perché
lo fai?
Warum
also? "Warum schmeißt du nicht alles hin?" Ja.
Nein. Wie? "Ein Leben in Ferien / eine Alte tanzt / nichts Neues
am Horizont / aber die ganze Band singt und tanzt". Wofür? "Für
eine neue Welt / Freiheit und verlorene Zeit / und keiner nervt mehr
/ keiner sagt mehr: ein Fehler und du bist draußen". Fürwahr,
welch ein Traum!
Perché non te ne vai?
Una
vita in vacanza
Una
vecchia che balla
Niente
nuovo che avanza
Ma
tutta la banda che suona e canta
Per
un mondo diverso
Libertà
e tempo perso
E
nessuno che rompe i coglioni
Nessuno
che dice se sbagli sei fuori
Und noch einmal:
"Du
bist Ästhetistin oder Studierter
du
bist der hoffnungslose Fall, die Zuschauer im Studio,
bist
der Sternekoch und Influencer
und
machst den Liedermacher, lebst aber vom Pokern
Warum
machst du das?"
Es geht noch eine Weile so weiter ("Fußballmarktexperte, Biobauer, Toyboy, gibst den Heiligen, den Motivierer, den Unmotivierten, bist Human Resource, der Arbeitslose" und "warum?")
E
fai l’estetista e fa il laureato
E
fai il caso umano, il pubblico in studio
Fai
il cuoco stellato e fai l’influencer
E
fai il cantautore ma fai soldi col poker
Perché
lo fai?
E
fai l’analista di calciomercato
Il
bioagricoltore, il toyboy, il santone
Il
motivatore, il demotivato
La
risorsa umana, il disoccupato
Perché
lo fai?
Perché
non te ne vai?
Nun die Philosophie von der Sache: "Leben um zu arbeiten / oder arbeiten, um zu leben / Geld machen, um nicht nachzudenken / immer reden und niemals zuhören / lachen, um weh zu tun / Frieden schließen, um Bomben abzuwerfen / abfahren, um zurückzukehren".
Vivere
per lavorare o lavorare per vivere
Fare
soldi per non pensare
Parlare
sempre e non ascoltare
Ridere
per fare male
Fare
pace per bombardare Partire per poi ritornare
Ein
Fluch geht um in Italien, der Fluch eines inzwischen sehr
zerbrechlichen Pharaonen: Wenn eine Gruppe irgendwann beschließt,
jetzt aber endlich ein bisschen Geld zu verdienen, dann kommt so
etwas dabei heraus wie Una vita in vacanza.
Vielleicht, la speranza muore ultima, ist ja alles nur ein Witz und in Sanremo singen sie dann was ganz anderes.
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