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Das Mailändische? George Brassens übersetzt und gesungen von Nanni Svampa

Der Name Mailand komme ja leider nicht vom Monat Mai, wie Jean Paul im Titan zu glauben vorgibt, sondern eher von Maiale, nämlich Schwein, behaupten manche. 

Milanesitäten gibt es nun vielleicht auch gar nicht. Aber wenn, sind sie kaum im Vergleich mit Rom oder Neapel zu erhaschen, welche mit Mailand nämlich gar nichts zu tun haben, sondern mit Blick auf Frankfurt (Geld), Wien (Schnitzel/cotoletta) und Paris (siehe unten). 

Wenn der Mailänder Chansonnier, wie man ihn ja nennen könnte, auch wenn er am liebsten in Autobus-Depots auftritt, Nanni Svampa Lieder von Georges Brassens singt, gäbe es daher unter Umständen etwas zu entdecken. Zunächst geht es um etwas wie Liebe, allerdings in einem handfesteren, zulangenderen Sinne. Zunächst verliert der Mailänder wie der Franzose ... was? Auf Französisch: J'ai perdu la tramontane.
In Mailand:  Ho perdu la trebisonda


Perdere la trebisonda: die Orientierung verlieren (von Trapezunt, Peilpunkt im Schwarzen Meer): was einer da verliert, wäre wohl eher Herz und Kopf, wenn er nämlich einer Frau über den Weg läuft, welche ... im Falle des Sängers hier wäre das zunächst la Rosetta tutta bionda / insemma al sò papà: "die so blonde kleine Rosa, zusammen mit ihrem Papa": "wenn ihr wüsstet, was ne kleine Frau! wie sie da ging! einfach zum Fressen, zusammen mit dem Papa". 

Hoo perduu la trebisonda / quand hoo vist passà / la Rosetta tutta bionda / insemma al sò papà: / s’te savesset che donnetta / a vedela andà / l'era ròbba de mangiala / insemma al papà!

Bei Bressons war kein Vater zum Fressen dabei. Dafür ist sie sofort Göttin: Margot / Princesse vêtue de laine / Déesse en sabotsNun ja.



Svampa: "Ich hab mir gesagt 'du bist das Bild
der Madonna' / der Herr möge mir verzeihen /
ich bin ein bisschen verrückt":

Mì gh'hoo ditt «de la Madonna /  Te seet’l ritratt / ch'el Signor me le perdònna / mì sont on poo matt. // E se’l me perdònna nò / el pò andà a ciappà i ratt /  oramai sont pú on gando1a / mi sont on malnatt!

"Und wenn er mir nicht verzeiht / soll er zum Teufel gehen (wörtlich: Ratten jagen) / ich bin kein Lümmel mehr / ich bin ein Verlorener (wörtlich: schlecht geborener)".
Auf Französisch ging das:
Qu'il me pardonne ou non / D'ailleurs, je m'en fous / J'ai déjà mon âme en peine / Je suis un voyou
In Mailand soll Gott Ratten fangen, in Paris ist er dem Sänger, nun, egal. 

In der Folge schleicht er einer Frau aufs Klo nach, die ihn daraufhin küsst, und grapscht einer an die Titten, worauf sie: "ti uhi!" Dann zieht sie die Bluse aus. Ein Rüpel, sicher. Den Unterschied machen die Frauen. Die Frauen Brassens sind weniger antwortfreudig. Der ersten beißt er auf die Lippen und sie elle m'a laissé faire, der zweiten greift er dans son corsage / Les fruits défendus / Ell' m'a dit d'un ton sévère / "Qu'est-ce que tu fais là ?" aber wieder: Mais elle m'a laissé faire. Gemeinsam die Konstatation: Les fill's, c'est comme cai donn fann inscì, in der Mailänder männlichen Form i donn. Diese erträumten Mailänder Frauen sind, nach dem ersten An- und Übergriff, nicht weniger lüstern als die Männer. Was da nicht hingehört, ist die Mischung mit dem Süditalienischen, was hier für Rückständigkeit und Enge steht. 


Im letzten Teil des Liedes, das gilt für Brassens wie für Svampa, erzählt der Sänger, wie er verlassen wurde. Arrivederci e in gamba, zitiert Svampa in der kalten Monzaer Aussprache, die man aus dem Privatfernsehen kennt: "Auf Wiedersehen und Kopf hoch!" Naturgemäß verliert er wieder einmal la trebisonda. Anders als bei Brassens heiratet die Geliebte allerdings nicht einfach un triste bigot, einen traurigen katholischen Spießer, sondern un terron, einen Süditaliener. Und schon freut sich der Mailänder wieder. Da wirst du deinen Spaß haben, Mädchen, ins Haus gesperrt, um die Ehre zu retten: che la tegn serrada in cà / per salvà l'onor. 


Einziger Trost in diesem Fall: bevor sie dort im Süden verschwand, habe er, der Sänger es mit ihr getrieben oder, anders gesehen: sie entehrt: 
A me resta solamente la soddisfazion / d'avegh faa una pastrugnada / prima di un terron! 

Brassens sieht die heulenden Kinder. Er denkt in der Ordnung der Künstler, des freien Menschen, der seinen Abstand vom Bürger hält. Svampa denkt in einer Welt von freien Männern, welche sich freien Frauen auf allerdings derbe Art verständlich machen. 

Heute bevölkern allerdings Landeier, Leute aus Monza und Süditaliener die Stadt Mailand und von dem, was sie einmal geträumt haben mag, ist nicht mehr viel zu spüren. 

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