Von Gustav Schwab oder von Homer wissen wir von den Abenteuern des Odysseus und haben uns doch gewundert, oder? Der gewiefte Abenteurer hätte am Ende nichts weiter gewollt, als auf seiner verschnarchten Insel die treue Hausfrau und den lieben Sohn wieder in die Arme zu schließen? Das wäre ja, als träumte Lucky Luke nur von Jacuzzi und Netflix.
Tatsächlich gibt es auch eine Version, bei welcher der Held sich nicht zur Ruhe setzt, und die stammt von Dante Alighieri. Der stellt ihn in eine Flamme im Inferno, da, wo sich die Betrüger und falschen Ratgeber finden, und lässt ihn seine Version erzählen.
Er habe, berichtet Odysseus knisternd aus der Flamme raus, nicht Kurs auf Ithaka genommen, sondern sei, getrieben von etwas, was auf Deutsch Sehnsucht hieße und auf Italienisch nicht existiert, es wäre denn als asthmatisches Anelare, Richtung Gibraltar gefahren, zu den Säulen des Herkules, dann raus aus dem Mittelmeer! Wo er und die Seinen, nicht die Familie! den Tod gefunden hätten. Aus seiner letzten großen Rede an die Mannschaft zitiert Odysseus sich selber, fürs Poesiealbum:
Considerate la vostra semenza:
fatti non foste a viver come bruti,
ma per seguir virtute e canoscenza. (Inf. XXVI)
Bedenkt, aus welchem Samen ihr entsprossen seid
Nicht geschaffen seid ihr, um wie Tiere zu leben
Sondern, um Tugend und Wissen zu suchen
Nett gesagt, oder? Für Lied hier ist das aber ziemlich egal, denn es geht, das große Ganze ist wie das Ziel für unsereins schwer zu haben, um einen einzelnen Moment auf der Reise des Odysseus. Sieben Jahre bleibt er bei der Nymphe, es könnten aber auch sieben Tage sein, all inclusive.
Odysseus ist, die andern sind alle hin, allein bei Kalypso gelandet, der „Nymphe mit schönwallenden Locken“.
Ankommen:
„Insel voller Licht
Zuflucht des Friedens
Und der Ruhe
Blumen des süßen Nichtstuns
Adieu Zivilisation“.
Ob Gozo, ob in Griechenland oder in Pantelleria? Weiß niemand. Für letzteres spräche:
„Man sagt, dass Poseidon,
Trotz seiner Göttlichkeit
Nicht bis hier sehen könne“.
Jedenfalls wohnt in diesem Ferientraum eine Frau, die, wie erzählt wird, sich immer wieder in schöne, starke Helden verliebt und immer wieder verlassen wird. Diesmal wird Odysseus, Ulisse ihr Mann, der auch nur schnell wieder wegwill.
Leut’ aus Frankfurt boshafteln ja, sie hätte wie Circe die „Seele einer Hausfrau“. Sie webt den ganzen Tag und singt dazu, als hätt sie ein Vileda-Staubtuch oder söff Klosterfrau Melissengeist. Sie bewirtet ihre Besucher und kümmert sich. Sagt, sagt Homer: „aber komm doch näher, dass ich dich gastlich bewirte“, und später genössen Gast und Gastgeberin „der Lieb', und ruheten nebeneinander“, was im Falle des Odysseus unfreiwillig geschehen sein soll. Jedenfalls wolle er nicht bleiben, obwohl sie ihm Unsterblichkeit und ewige Jugend biete.
Bianconi singt:
„Und es sind schon sieben Jahre Unsterblichkeit
Der Mann träumte vom Unbekannten
Oder vom Meer von Zuhause, das weiß niemand“.
Träumte nach Dante oder nach Homer, immerhin aber vom Meer. Er träumt sich fern.
„Aber sicher hat er geweint, wenn er bis dorthin geträumt hat
‚Hey, verwöhntes Herz. Ich weiß, du musst gehen. Geh und bleib sterblich. Denn die Revolution, die macht man so.‘“ Ironie für alte Kämpfer.
Das Leben aber steht still, sieben Jahre oder sieben Tage lang. Odysseus guckt raus:
„Der Mann sieht jetzt in die Sterne
Gezwungen, deren reine Schönheit
Zu lieben
Das ihm, der sie immer nur aus Notwendigkeit betrachtet hat.
Er hält einen Stein in der Faust
Und er wirft ihn weit,
so weit, wie er kann.
Der Stein fliegt zurück in das Meer
Das ihn zu ihr gebracht hatte“.
Kommt er durcheinander? Sie selbst erinnert ihn nun:
„’Hey, verwöhntes Herz. Ich weiß, du musst gehen. Geh und bleib sterblich. Denn die
Revolution, die macht man so‘.
Ich verstecke Liebe
Du weißt nicht, was du tun sollst
Fahr! Ich lass dich gehen.
Mein Name ist Calypso
Ich bin nun mal so“. Oder auch: Ich heiße nun mal so. Das Verb καλύπτω heißt ja „verbergen“.
Nun schwappt aber das Ferienmeereswasser mit seiner ganzen salzigen Romantik schwarz und rosa über uns und Odysseus zusammen, der Rhythmus ändert sich. Die Geschichte verschwindet im Schwappen, in Bildern: Meer, Hafen, Messer, Tanz, das Böse, hin und her.
„Ah tropische Melodie
Sie sinkt und sie steigt
Das Lied, das weiß
Tut dem Böses an, der Böses tut
Ah tropische Melodie, Hafentanz
Das Messer, das weiß
Tut dem Böses an, der Böses tut
Ah tropische Melodie, muss man tanzen
Den Tanz, der weiß
Tut dem Böses an, der Böses tut“.
Das Album ist von Ascari und in diesem Stück, mit und vermutlich von Francesco Bianconi, singt tatsächlich eine Stimme, die wie eine Frauenstimme rüberkommt, sich aber, wenn das Ascari ist, als nichtbinär definiert und auch sonst als Sänger* bekannt ist. Schwipp schwapp.
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